Frühchristliche Berichte
Unser zweiter Anhaltspunkt stammt von der riesigen Anzahl urchristlicher Briefe, Predigten, Kommentare und Glaubensbekenntnisse, die sich auf Jesus, als den wiederauferstandenen Herrn beziehen. Diese erschienen bereits fünf Jahre nach seiner Kreuzigung. Obwohl viele dieser Schriften auf Befehl des römischen Kaisers Diokletian verbrannt wurden, haben Tausende überlebt.
Die Anzahl dieser überlieferten Dokumente ist in der Tat beeindruckend: Entdeckt sind über 36.000 vollständige oder in Teilen erhaltene Schriften, einige aus dem ersten Jahrhundert.[16] Basierend auf ihrem Inhalt könnte bis auf einige wenige Verse fast das gesamte Neue Testament nachgebildet werden.[17]
Wie vergleicht sich das also mit dem Barnabasevangelium? Wie bereits vermerkt, gibt es vor dem fünfzehnten Jahrhundert nur zwei Erwähnungen dieser Schrift, und bei beiden ist zweifelhaft, ob sich diese Bezüge tatsächlich auf das fragliche Barnabasevangelium beziehen.[18]
Die frühesten Schriften außerhalb des Neuen Testaments stammten von Männern, die Paulus, Petrus, Johannes und die anderen Apostel kannten und ihnen folgten. Diese frühchristlichen Kirchenführer waren zwar keine Augenzeugen von Jesus, aber haben von ihm durch diejenigen erfahren, die ihn tatsächlich noch gesehen und gehört haben. Bezeichnenderweise bestätigen ihre Schriften viele der neutestamentlichen Einzelheiten über Jesus, einschließlich seiner Kreuzigung und Auferstehung.
Die wichtigsten dieser frühen Zeugnisse außerhalb des Neuen Testaments stammen von Clemens von Rom, Ignatius von Antiochien und Polykarp von Smyrna.
Im Jahre 96 A.D. schrieb Clemens von Rom einen ausführlichen Brief an die Gemeinde in Korinth, in dem er Matthäus, Johannes und den ersten Brief des Paulus an die Korinther erwähnte. Manche glauben, er sei der Clemens, von dem Paulus im Philipperbrief 4,3) spricht. Da Clements Brief im Jahr 96 geschrieben wurde, müssen diese drei Bücher früher entstanden sein.
Der Bischof Ignatius von Antiochien, ein Schüler des Apostels Johannes, schrieb ca. im Jahr 110 A.D. sechs Brief an christliche Gemeinden sowie einen an einen anderen Bischof, Polykarp, in denen er sich auf sechs der Paulus-Briefe bezieht.
Polykarp von Smyrna, ebenfalls ein Schüler des Apostels Johannes, spricht alle 27 Bücher des Neuen Testaments in seinem Brief an die Philipper an (A.D. 110-135). Daraus läβt sich schließen, dass die Evangelien während des ersten Jahrhunderts bereits existiert haben müssen, zu einer Zeit, in der einige der Augenzeugen (darunter Johannes) noch lebten.
Wie wir gesehen haben, gibt es keine solchen frühen Bezüge auf das Barnabasevangelium.
Frühe handschriftliche Kopien
Unser dritter Hinweis beruht auf der reichhaltigen Anzahl früher Handschriften des Neuen Testaments, die es Gelehrten erleichtern, den ungefähren Zeitraum, in dem sie ursprünglich verfasst wurden, zu bestimmen. Archäologen haben über 5600 handschriftliche Kopien des Neuen Testaments in Altgriechisch entdeckt, einige vollständige Bücher, andere lediglich Fragmente. Wenn man Abschriften in anderen Sprachen hinzuzählt, so existieren über 24.000 solcher Manuskripte.[19]
Man braucht wohl nicht zu betonen, dass ein Verhältnis von 5600 zu drei Handschriften zahlenmäßig eindeutig für das Neue Testament spricht, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Archäologen neutestamentliche Fragmente gefunden, die bis zu ein oder zwei Generation nach Christus zurückdatiert werden können, verglichen mit Hunderten von Jahren später für das Barnabasevangelium.
So wurde Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts ein Fragment des Johannesevangeliums in Ägypten entdeckt (P52: Johannes 18,31-33), welches aus den Jahren 117 – 138 stammt. Der renommierte Bibelforscher Bruce Metzger äußerte sich über die Bedeutung dieses herausragenden Fundes wie folgt:
„Genau wie Robinson Crusoe, der aus einem Fußabdruck im Sand folgerte, dass sich ein weiterer Mensch mit zwei Füßen auf der Insel mit ihm befinden müsse, so beweist P52 (die Identifizierung des Fragments) die Existenz und den Gebrauch des vierten Evangeliums während der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts… “[20]
Die Entdeckung dieses Fragments macht klar, dass innerhalb einer Generation ab der Zeit, in der Johannes dieses Evangelium schrieb, eine Abschrift davon von Kleinasien nach Ägypten gelang.
Es existieren viele anderen frühen Handschriften aus der Zeit zwischen Ende des zweiten Jahrhunderts bis zum vierten und fünften Jahrhundert, und vollständige Bücher des Neuen Testaments aus den Jahren 200 -1500 befinden sich in verschiedenen Museen (Bodmer Papyri). [21]
Ein noch älteres Papyrusfragment der Schriftrollen vom Toten Meer (7Q5) wurde von einem Paläographen als ein Auszug des Markusevangeliums aus der Zeit um 50 A.D. identifiziert, d.h. erheblich früher als das P52-Fragment des Johannes.
Der Neutestamentler Daniel B. Wallace, der sich mit dem Fragment der Schriftrollen vom Toten Meer befasset, datiert diese ebenfalls auf das erste Jahrhundert.[22] Trotz der unterschiedlichen Ansichten bezüglich dieses Fragments sprechen die gesammelten Beweise aus anderen Handschriften stark für ein im ersten Jahrhundert entstandenes Neues Testament.
Hier anklicken, um Seite 7 von 7 über „Das Barnabasevangelium: Geheime Bibel?“ zu lesen