Eine mittelalterliche Fälschung?
Es drängt sich hier eine entscheidende Frage auf: Warum hätten sich muslimische Gelehrte über das Barnabasevangelium ausgeschwiegen, wenn es zu einem Zeitpunkt, als zwischen dem siebten und fünfzehnten Jahrhundert die Identität von Christus zwischen Muslimen und Christen heftig diskutiert wurde, bereits existiert hätte? Das Werk wurde nicht einmal erwähnt.
Theologen, wie z.B. Irenäus, schreiben ausführlich über anti-christliche Dokumente, wie z.B. die gnostischen Evangelien; diese werden stets als ketzerisch bezeichnet. Trotz Behauptungen des islamischen Schriftstellers Rahim findet das Barnabasevangelium jedoch in keinem der Briefe oder Dokumente des Irenäus Erwähnung. Es gibt durch keinen frühchristlichen oder muslimischen Schreiber irgendeinen Hinweis darauf.
Die Tatsache, dass das Barnabasevangelium erst später entstanden ist, zeigt sich vielleicht am Deutlichsten in seiner Beschreibung mittelalterlichen Lebens in Mitteleuropa sowie des im Abstand von 100 Jahren stattfindenden Jubeljahrs, welches erst im vierzehnten Jahrhundert als solches erklärt wurde. Wie hätte Barnabas oder irgendein anderer Verfasser aus dem ersten Jahrhundert Kenntnisse über ein derartiges historisches Detail haben können, hunderte von Jahren bevor dies eintrat?
Dr. Norman Geisler kommt zu dem Schluss: „Die Nachweise dafür, dass es sich hier nicht um ein von einem Jünger Jesu geschriebenes Evangelium aus dem ersten Jahrhundert handelt, sind überwältigend.“[12]
Nicht nur sprechen Beweise dagegen, dass diese Schrift von Barnabas im ersten Jahrhundert verfasst wurde, einige Gelehrte halten dieses Evangelium sogar für eine Fälschung. So schreibt ein Experte: „Meiner Ansicht nach haben wissenschaftliche Forschungen unumstößlich nachgewiesen, dass es sich bei diesem ‚Evangelium‘ um eine Fälschung handelt“.[13]
Christliche und säkulare Gelehrte sind nicht die Einzigen, die urteilten, dass der Text verändert wurde und jemand die Schrift in betrügerischer Absicht als das Werk von Barnabas, dem Zeitgenossen von Paulus, darstellen wollte. Auch eine Reihe von muslimischen Gelehrten teilen diese Ansicht:[14] So heißt es in der Enzyklopädie des Islams: „Was das Barnabasevangelium betrifft, so ist es keine Frage, dass es sich hierbei um eine mittelalterliche Fälschung handelt“.[15]
Doch wie schon zuvor angemerkt, glauben muslimische Gelehrte auch, dass die Botschaft des Neuen Testaments von der Kirche „korrumpiert“ wurde und Jesus anders darstellt, als derjenige war, der vor 2000 Jahren in den Hügeln von Galiläa predigte. Damit tritt die Frage auf, wie verläβlich das Neue Testament wirklich ist. Erlauben uns die Seiten des Neuen Testaments Einsicht in den wahren Jesus?
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