Damit kommen wir zu unserer zweiten Frage: Warum wurden die mysteriösen gnostischen Evangelien zerstört und aus dem Neuen Testament ausgeschlossen? In dem Roman behauptet Teabing, die gnostischen Evangelien seien aus 50 offiziell genehmigten und von Konstantin auf dem Konzil in Auftrag gegebenen Bibeln aussortiert worden. Aufgeregt berichtet er Neveu:
„Der Haken an der Sache war, dass Konstantin Jesus erst vier Jahrhunderte nach der Kreuzigung zum Gottessohn erhoben hat. Deshalb existierten bereits Tausende von Niederschriften, in denen Jesus als normaler Sterblicher geschildert wird. Konstantin wusste, dass nur mit einem kühnen Handstreich dagegen anzukommen war – ein Coup, der zur Schicksalsstunde des Christentums wurde. … Konstantin gab eine neue Evangeliensammlung in Auftrag, die er obendrein finanzierte. In diese Sammlung durfte keine jener Darstellungen aufgenommen werden, in denen Jesus als Mensch gesehen wurde, während alles, was ihn in ein göttliches Licht rückte, besonders hervorzuheben war. Die früheren Evangelien wurden geächtet, konfisziert und verbrannt.“[7]
Schildern diese gnostischen Schriften die wahre Geschichte von Jesus Christus? Wir wollen das etwas näher analysieren, um Dichtung von Wahrheit zu unterscheiden.
Geheime „Wissende“
Die gnostischen Evangelien werden einer Gruppe zugeschrieben, deren Mitglieder (welche Überraschung!) als die Gnostiker bezeichnet werden. Der Name stammt aus dem griechischen Wort gnosis, was „Erkenntnis“ bedeutet. Diese Menschen glaubten, sie besäßen geheime, besondere Kenntnisse, die gewöhnlichen Menschen verborgen seien.
Von den insgesamt 52 Schriften werden nur fünf als eigentliche Evangelien geführt. Wie wir noch sehen werden, unterscheiden sich diese so genannten Evangelien erheblich von den Evangelien des Neuen Testaments, also dem Matthäus-, Markus-, Lukas- und Johannes-Evangelium.
Mit der Ausbreitung des Christentums vermischten die Gnostiker bestimmte Glaubenslehren und Elemente dieser Religion mit ihrem eigenen Glauben und verwandelten den Gnostizismus zu einem falschen Christentum. Sie taten dies vielleicht, um genügend Anhänger für sich zu gewinnen und Jesus zu einer Art Aushängeschild für ihre Sache zu machen. Ihr Denksystem konnte aber nur dadurch ans Christentum angepasst werden, indem man Jesus neu erfand – ohne Menschsein und ohne absolute Göttlichkeit.
In The Oxford History of Christianity beschreibt John McManners die bei den Gnostikern anzutreffende Mischung aus christlichem Gedankengut und mythischen Überzeugungen.
„Der Gnostizismus war (und ist) eine Theosophie mit vielen Bestandteilen. Okkultismus und orientalischer Mystizismus werden mit Astrologie und Magie verschmolzen.
Sie sammelten Aussagen Jesu in einer zu ihrer eigenen Interpretation passenden Fassung (wie im Thomas-Evangelium) und boten ihren Anhängern eine alternative oder rivalisierende Form des Christentums.“[8]
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