Verbirgt eine in einer Polizeiaktion gegen einen türkischen Schmugglerring entdeckte „geheime Bibel“ die tatsächliche Wahrheit über die Identität von Jesus Christus? Laut einem Vertreter der türkischen Behörden könnte es sich bei dem 1500 Jahre alten in Leder gebundenen Text, der 12 Jahre lang versteckt gehalten wurde, um eine authentische Fassung des Barnabasevangeliums handeln.
Muslimische Blogs haben sich mit Feuereifer auf diese Entdeckung gestürzt: Einige Islam-Gelehrte behaupten nämlich, das Barnabasevangelium sei „von der christlichen Kirche wegen seiner deutlichen Parallelen mit islamischen Ansichten über Jesus unterdrückt worden”. [1] Ganz in diesem Sinne hat eine Umfrage auf einer islamischen Webseite ergeben, dass mehr als die Hälfte ihrer Leser das Barnabasevangelium für das wahre Evangelium des Jesus halten.[2] Der muslimische Autor Muhammad Ata ur-Rahim gibt an: „Das Barnabasevangelium ist das einzige bekannte überlebende Evangelium, welches von einem Jünger Jesu verfasst wurde …“[3] Laut Rahim war dieses Evangelium in der Urkirche bis ins Jahr 325 A.D. weit verbreitet.
Diese „geheime Bibel“ nennt Barnabas als einen der ursprünglichen zwölf Jünger Jesu. In der Apostelgeschichte jedoch beschreibt Lukas Barnabas als einen Jünger, der nicht zur Gruppe der innersten zwölf zählte und erst später zusammen mit dem Apostel Paulus missionarisch tätig war. Im ersten Jahrhundert sprachen Paulus und Barnabas auf ihren Reisen nachdrücklich immer wieder von Jesu Tod, Auferstehung und seiner Rolle als Gott dem Herrn.[4]
Ein anderer Jesus?
Obwohl das als Barnabasevangelium bezeichnete Dokument in weiten Teilen die gleichen Inhalte enthält wie die vier Evangelien des Neuen Testaments, sind die beiden Dokumente hinsichtlich der Identität von Jesus Christus stark unterschiedlich. Unter den wesentlichen Unterschieden ist die Tatsache, dass das Barnabasevangelium
- die Gottheit Jesu ableugnet
- die Trinität ablehnt
- die Kreuzigung Jesu ableugnet
und Jesus als den Messias ableugnet. (Diese Ansicht steht im Widerspruch mit dem Qur’an.) Das historische türkische Manuskript unterscheidet sich insofern von den Lehren des Qur’an, als es Mohammed und nicht Jesus als den Messias bezeichnet.[5] Wie der Qur’an beschreibt das Barnabasevangelium Jesus jedoch als rein menschlich. Jesus gibt darin angeblich an:
„Ich bekenne vor dem Himmel und rufe alles, was auf der Erde lebt, als Zeugen an: Ich bin nicht der, als der mich die Menschen ausmachen, nämlich, dass ich mehr als ein Mensch bin. Denn ich bin ein Mensch, von einer Frau geboren, und unterliege Gottes Urteil; und ich lebe hier wie andere Menschen, ausgesetzt allem Üblen.“[6]
Somit läβt das Barnabasevangelium eindeutig Jesus seine Gottheit ableugnen, wohingegen der Apostel Johannes Jesus ebenso eindeutig als Sohn Gottes beschreibt, als den Schöpfer der Welt: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist… Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit…[7]
Wer ist der wirkliche Jesus?
In diesem Textabschnitt gibt Johannes an, er habe Jesus wirklich gekannt. An späteren Stellen spricht er davon, dass er ihn anfasste, mit ihm herumwanderte und ihn drei Jahre lang predigen hörte. Er spricht von Jesus als Freund. Der Verfasser des Barnabasevangeliums behauptet nichts Derartiges.
Die beiden Schriften unterscheiden sich auch bezüglich der Kreuzigung von Jesus. Das Barnabasevangelium beschreibt Judas Ischariot als denjenigen, der anstatt Jesus am Kreuz gestorben ist; im Neuen Testament hingegen war Judas derjenige, der Jesus verriet. Im Gegensatz zu der Lehre im Islam, Jesus’ Tod am Kreuz habe nie stattgefunden und sei gegenstandslos gewesen, gründet sich die gesamte christliche Botschaft auf den Tod Jesu als Erlöser für unsere Sünden und seine Wiederauferstehung als unsere Hoffnung auf ewiges Leben.[8]
Natürlich können nicht beide Botschaften wahr sein. Wie können wir also wissen, welcher Jesus der wahre ist?
Forscher bedienen sich verschiedener Tests, um die Glaubwürdigkeit einer Handschrift festzustellen; dabei ist einer der Wichtigsten die Frage, ob es sich hierbei um einen Augenzeugenbericht handelt. Auch in einem Strafverfahren wird einer Augenzeugenaussage stets mehr Gewicht beigemessen als der Aussage einer Person, die nicht Zeuge des Verbrechens war.
Ist es uns daher möglich festzustellen, ob das Johannesevangelium oder das Barnabasevangelium einen Augenzeugenbericht darstellt?
Ein Grund, warum Gelehrte sich für Johannes als Verfasser aussprechen, ist die Tatsache, dass Historiker der Urkirche das Evangelium Johannes zuschreiben. Um jedoch tatsächlich von ihm zu stammen, muss die Schrift während seiner Lebenszeit verfasst worden sein. Könnte nachgewiesen werden, dass dieses Evangelium erst nach Anfang des zweiten Jahrhunderts zustande kam, als Johannes bereits verstorben war, so hätte er selbstverständlich nicht der Verfasser sein können.
Genauso verhält es sich mit dem Barnabasevangelium: Wäre es erst nach dem Ableben von Barnabas entstanden, so hätte es sich nicht um einen Augenzeugenbericht handeln können. Wenn jedoch eines dieser Evangelien auf das erste Jahrhundert datiert werden kann, so wächst die Wahrscheinlichkeit seiner Authentizität erheblich. Was zeigen uns also diese Beweise? Fangen wir mit dem Barnabasevangelium an.
Ist das Barnabasevangelium ein Augenzeugenbericht?
Die in der Türkei aufgefundene „geheime Bibel“ ist angeblich eine fünfzehnhundert Jahre alte Kopie. Wäre das wahr, so wäre sie 400 bis 500 Jahre nach Tod und Auferstehung Jesu geschrieben worden, nachdem alle Augenzeugen tot waren. Da es sich jedoch um eine Kopie handelt, wäre es möglich, dass das Original bereits im ersten Jahrhundert niedergeschrieben wurde. Um dies herauszufinden, müssen wir uns den historischen Überlieferungen sowohl der christlichen als der muslimischen Geschichte zuwenden.
Außer der in der Türkei aufgefunden Handschrift bestehen nur zwei altertümliche Abschriften des Barnabasevangeliums: eine italienische Handschrift, die auf das fünfzehnte oder sechzehnte Jahrhundert datiert wird, und eine spanische Abschrift aus dem gleichen Zeitalter, die jedoch verloren gegangen ist.[9] Der Text in der neu entdeckten türkischen Handschrift ist in aramäischer Sprache geschrieben. Keine dieser Abschriften sind in Griechisch verfasst, der Sprache des Barnabas und der Apostel.
Zwei frühe christliche Listen von Apokryphen, eine aus dem fünften Jahrhundert und eine aus dem siebten Jahrhundert, erwähnen ein „Barnabasevangelium“. Sollte es sich hierbei um das gleiche Evangelium handeln, so würde dies bedeuten, dass dieses 400 bis 500 nach Christus oder früher entstand und damit immer noch einige hundert Jahre nach dem ersten Jahrhundert.
Bei den Barnabasakten handelt es sich um eine Apokryphe aus dem fünften Jahrhundert, adressiert an die Kirche von Zypern; dieses Werk wird manchmal fälschlicherweise mit dem Barnabasevangelium verwechselt.
Das einzige Buch aus dem ersten Jahrhundert, welches dem Apostel Barnabas zugeschrieben wird, ist der Barnabasbrief, ein nicht im Neuen Testament enthaltenes apokryphes Werk. In diesem Brief aus dem ersten Jahrhundert wird Jesus als der gekreuzigte auferstandene Gott bezeichnet. Laut Gelehrten hat Barnabas diesen Brief zwischen 70 und 90 A.D. verfasst.
Schreibt Barnabas jedoch in dem aus dem ersten Jahrhundert stammenden Barnabasbrief von Jesus als Gott dem Herrn, warum würde er dann Jesus in dem Barnabasevangelium als bloßen Propheten bezeichnen? Warum sollte er zwei widersprüchliche Berichte über Jesus geschrieben haben?
Gelehrte erachten den Barnabasbrief als authentischen Bericht über Jesus aus dem ersten Jahrhundert, der mit dem Neuen Testament übereinstimmt. Das Barnabasevangelium ist jedoch ein vollständig anderes Werk, mit einem vollständig anderen zeitlichen Rahmen.
Folgende Nachweise belegen, dass das Barnabasevangelium von frühen Muslimen und Christen nicht als aus dem ersten Jahrhundert stammend erachtet wird:[10]
- Es wird von keinem muslimischen Schriftsteller vor dem fünfzehnten oder sechzehnten Jahrhundert erwähnt.
- Zwischen dem ersten und fünfzehnten Jahrhundert wird es von keinem christlichen Schriftsteller erwähnt.
- Der früheste Bezug darauf stammt aus dem fünften Jahrhundert, ist jedoch zweifelhaft.
- Das Evangelium berichtet von historischen Tatsachen, die erste Hunderte von Jahren später geschehen sind.[11]
Eine mittelalterliche Fälschung?
Es drängt sich hier eine entscheidende Frage auf: Warum hätten sich muslimische Gelehrte über das Barnabasevangelium ausgeschwiegen, wenn es zu einem Zeitpunkt, als zwischen dem siebten und fünfzehnten Jahrhundert die Identität von Christus zwischen Muslimen und Christen heftig diskutiert wurde, bereits existiert hätte? Das Werk wurde nicht einmal erwähnt.
Theologen, wie z.B. Irenäus, schreiben ausführlich über anti-christliche Dokumente, wie z.B. die gnostischen Evangelien; diese werden stets als ketzerisch bezeichnet. Trotz Behauptungen des islamischen Schriftstellers Rahim findet das Barnabasevangelium jedoch in keinem der Briefe oder Dokumente des Irenäus Erwähnung. Es gibt durch keinen frühchristlichen oder muslimischen Schreiber irgendeinen Hinweis darauf.
Die Tatsache, dass das Barnabasevangelium erst später entstanden ist, zeigt sich vielleicht am Deutlichsten in seiner Beschreibung mittelalterlichen Lebens in Mitteleuropa sowie des im Abstand von 100 Jahren stattfindenden Jubeljahrs, welches erst im vierzehnten Jahrhundert als solches erklärt wurde. Wie hätte Barnabas oder irgendein anderer Verfasser aus dem ersten Jahrhundert Kenntnisse über ein derartiges historisches Detail haben können, hunderte von Jahren bevor dies eintrat?
Dr. Norman Geisler kommt zu dem Schluss: „Die Nachweise dafür, dass es sich hier nicht um ein von einem Jünger Jesu geschriebenes Evangelium aus dem ersten Jahrhundert handelt, sind überwältigend.“[12]
Nicht nur sprechen Beweise dagegen, dass diese Schrift von Barnabas im ersten Jahrhundert verfasst wurde, einige Gelehrte halten dieses Evangelium sogar für eine Fälschung. So schreibt ein Experte: „Meiner Ansicht nach haben wissenschaftliche Forschungen unumstößlich nachgewiesen, dass es sich bei diesem ‚Evangelium‘ um eine Fälschung handelt“.[13]
Christliche und säkulare Gelehrte sind nicht die Einzigen, die urteilten, dass der Text verändert wurde und jemand die Schrift in betrügerischer Absicht als das Werk von Barnabas, dem Zeitgenossen von Paulus, darstellen wollte. Auch eine Reihe von muslimischen Gelehrten teilen diese Ansicht:[14] So heißt es in der Enzyklopädie des Islams: „Was das Barnabasevangelium betrifft, so ist es keine Frage, dass es sich hierbei um eine mittelalterliche Fälschung handelt“.[15]
Doch wie schon zuvor angemerkt, glauben muslimische Gelehrte auch, dass die Botschaft des Neuen Testaments von der Kirche „korrumpiert“ wurde und Jesus anders darstellt, als derjenige war, der vor 2000 Jahren in den Hügeln von Galiläa predigte. Damit tritt die Frage auf, wie verläβlich das Neue Testament wirklich ist. Erlauben uns die Seiten des Neuen Testaments Einsicht in den wahren Jesus?
Ist das Neue Testament verläβlich?
Entstanden die Bücher des Neuen Testaments früh genug, um als Augenzeugenberichte zu gelten? Sie hätten also im ersten Jahrhundert geschrieben werden müssen. Schauen wir uns die Beweise an und verglichen wir die Abstammung des Neuen Testaments mit dem, was wir für das Barnabasevangelium herausgefunden haben.
Die Geschichte beruft sich auf drei hauptsächlichen Quellen bezüglich des Entstehungsdatums der 27 Bücher des Neuen Testaments:
- Zeugenaussagen von Feinden der Kirche
- Frühchristliche Berichte
- Frühe handschriftliche Kopien
- Aussagen von Ketzern
Der erste Hinweis ist eine teilweise Liste von neutestamentlichen Büchern, die von Feinden der Kirche, den sog. Ketzern, erarbeitet wurde. Als von der Kirche geächtet wäre diesen Ketzern nicht daran gelegen gewesen, sich bezüglich der Authentizität oder Abstammung des Neuen Testaments mit Kirchenführern einig zu sein. Dennoch schrieben zwei frühe Ketzer, Marcion und Valentinus, die Schriften verschiedener Bücher und Passagen des Neuen Testaments den Aposteln zu.
Im Jahre 140 A.D. führte Marcion 11 der 27 Bücher des Neuen Testaments als authentische Schriften der Apostel an.
Ungefähr zur gleichen Zeit nimmt auch der Gnostiker Valentinus Bezug auf eine Vielzahl der neutestamentlichen Themen und Absätze.
Dies beweist uns, dass Mitte des zweiten Jahrhunderts viele Bücher des Neuen Testaments bereits seit einiger Zeit zirkulierten. Selbst diese gnostischen „Ausgestoßenen” akzeptierten diese neutestamentlichen Berichte als Augenzeugenberichte von den Aposteln selbst.
Frühchristliche Berichte
Unser zweiter Anhaltspunkt stammt von der riesigen Anzahl urchristlicher Briefe, Predigten, Kommentare und Glaubensbekenntnisse, die sich auf Jesus, als den wiederauferstandenen Herrn beziehen. Diese erschienen bereits fünf Jahre nach seiner Kreuzigung. Obwohl viele dieser Schriften auf Befehl des römischen Kaisers Diokletian verbrannt wurden, haben Tausende überlebt.
Die Anzahl dieser überlieferten Dokumente ist in der Tat beeindruckend: Entdeckt sind über 36.000 vollständige oder in Teilen erhaltene Schriften, einige aus dem ersten Jahrhundert.[16] Basierend auf ihrem Inhalt könnte bis auf einige wenige Verse fast das gesamte Neue Testament nachgebildet werden.[17]
Wie vergleicht sich das also mit dem Barnabasevangelium? Wie bereits vermerkt, gibt es vor dem fünfzehnten Jahrhundert nur zwei Erwähnungen dieser Schrift, und bei beiden ist zweifelhaft, ob sich diese Bezüge tatsächlich auf das fragliche Barnabasevangelium beziehen.[18]
Die frühesten Schriften außerhalb des Neuen Testaments stammten von Männern, die Paulus, Petrus, Johannes und die anderen Apostel kannten und ihnen folgten. Diese frühchristlichen Kirchenführer waren zwar keine Augenzeugen von Jesus, aber haben von ihm durch diejenigen erfahren, die ihn tatsächlich noch gesehen und gehört haben. Bezeichnenderweise bestätigen ihre Schriften viele der neutestamentlichen Einzelheiten über Jesus, einschließlich seiner Kreuzigung und Auferstehung.
Die wichtigsten dieser frühen Zeugnisse außerhalb des Neuen Testaments stammen von Clemens von Rom, Ignatius von Antiochien und Polykarp von Smyrna.
Im Jahre 96 A.D. schrieb Clemens von Rom einen ausführlichen Brief an die Gemeinde in Korinth, in dem er Matthäus, Johannes und den ersten Brief des Paulus an die Korinther erwähnte. Manche glauben, er sei der Clemens, von dem Paulus im Philipperbrief 4,3) spricht. Da Clements Brief im Jahr 96 geschrieben wurde, müssen diese drei Bücher früher entstanden sein.
Der Bischof Ignatius von Antiochien, ein Schüler des Apostels Johannes, schrieb ca. im Jahr 110 A.D. sechs Brief an christliche Gemeinden sowie einen an einen anderen Bischof, Polykarp, in denen er sich auf sechs der Paulus-Briefe bezieht.
Polykarp von Smyrna, ebenfalls ein Schüler des Apostels Johannes, spricht alle 27 Bücher des Neuen Testaments in seinem Brief an die Philipper an (A.D. 110-135). Daraus läβt sich schließen, dass die Evangelien während des ersten Jahrhunderts bereits existiert haben müssen, zu einer Zeit, in der einige der Augenzeugen (darunter Johannes) noch lebten.
Wie wir gesehen haben, gibt es keine solchen frühen Bezüge auf das Barnabasevangelium.
Frühe handschriftliche Kopien
Unser dritter Hinweis beruht auf der reichhaltigen Anzahl früher Handschriften des Neuen Testaments, die es Gelehrten erleichtern, den ungefähren Zeitraum, in dem sie ursprünglich verfasst wurden, zu bestimmen. Archäologen haben über 5600 handschriftliche Kopien des Neuen Testaments in Altgriechisch entdeckt, einige vollständige Bücher, andere lediglich Fragmente. Wenn man Abschriften in anderen Sprachen hinzuzählt, so existieren über 24.000 solcher Manuskripte.[19]
Man braucht wohl nicht zu betonen, dass ein Verhältnis von 5600 zu drei Handschriften zahlenmäßig eindeutig für das Neue Testament spricht, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Archäologen neutestamentliche Fragmente gefunden, die bis zu ein oder zwei Generation nach Christus zurückdatiert werden können, verglichen mit Hunderten von Jahren später für das Barnabasevangelium.
So wurde Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts ein Fragment des Johannesevangeliums in Ägypten entdeckt (P52: Johannes 18,31-33), welches aus den Jahren 117 – 138 stammt. Der renommierte Bibelforscher Bruce Metzger äußerte sich über die Bedeutung dieses herausragenden Fundes wie folgt:
„Genau wie Robinson Crusoe, der aus einem Fußabdruck im Sand folgerte, dass sich ein weiterer Mensch mit zwei Füßen auf der Insel mit ihm befinden müsse, so beweist P52 (die Identifizierung des Fragments) die Existenz und den Gebrauch des vierten Evangeliums während der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts… “[20]
Die Entdeckung dieses Fragments macht klar, dass innerhalb einer Generation ab der Zeit, in der Johannes dieses Evangelium schrieb, eine Abschrift davon von Kleinasien nach Ägypten gelang.
Es existieren viele anderen frühen Handschriften aus der Zeit zwischen Ende des zweiten Jahrhunderts bis zum vierten und fünften Jahrhundert, und vollständige Bücher des Neuen Testaments aus den Jahren 200 -1500 befinden sich in verschiedenen Museen (Bodmer Papyri). [21]
Ein noch älteres Papyrusfragment der Schriftrollen vom Toten Meer (7Q5) wurde von einem Paläographen als ein Auszug des Markusevangeliums aus der Zeit um 50 A.D. identifiziert, d.h. erheblich früher als das P52-Fragment des Johannes.
Der Neutestamentler Daniel B. Wallace, der sich mit dem Fragment der Schriftrollen vom Toten Meer befasset, datiert diese ebenfalls auf das erste Jahrhundert.[22] Trotz der unterschiedlichen Ansichten bezüglich dieses Fragments sprechen die gesammelten Beweise aus anderen Handschriften stark für ein im ersten Jahrhundert entstandenes Neues Testament.
Übereinstimmende Meinung der Gelehrten
Vor diesen Funden hatten kritische deutsche Gelehrte Ende des neunzehnten und Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts die Auffassung vertreten, das Neue Testament sei von unbekannten Autoren im zweiten Jahrhundert verfasst worden. Diese neuen Eindeckungen zeigen jedoch, dass seine Bücher alle aus dem ersten Jahrhundert stammen. So schreibt der Historiker Paul Johnson:
„Der Auffassung aus dem Ende des neunzehnten und Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, das Neue Testament stelle eine Sammlung jüngerer und in großem Maße erfundener Berichte dar, kann man sich nicht mehr ernsthaft anschließen. Heutzutage zweifelt niemand mehr daran, dass die Briefe des Paulus, die frühesten christlichen Nachweise, authentisch sind, und niemand datiert sie auf später als ungefähr die fünfziger Jahre des ersten Jahrhunderts.“[23]
Der Archäologe William Albright kam zu dem Schluss, dass das gesamte Neue Testament „mit hoher Wahrscheinlichkeit ungefähr zwischen 50 und 75 A.D.“ geschrieben wurde.[24]
Der in Cambridge wirkende Gelehrte John A. T. Robinson datiert das Werk sogar auf einen noch früheren Zeitpunkt; seiner Ansicht nach entstand der größte Teil des Neuen Testaments zwischen 40 und 65 A.D.[25] Robinson schließt dies aus der Tatsache, dass die Zerstörung von Jerusalem in keinem der Bücher des Neuen Testaments auch nur im Geringsten vermerkt ist. Ein solches Schlüsselereignis hätte sicherlich dort Erwähnung gefunden, hätte es zuvor stattgefunden.
Ein weiterer Hinweis darauf, dass das Werk bereits früher entstanden ist, ist der Umstand, dass das Ableben der beiden Apostel Petrus und Paulus im Jahr 66 A.D. ebenfalls unerwähnt bleibt. Ihr Lebenswerk wird im Neuen Testament in allen Einzelheiten beschrieben, warum also würde ihr Tod nicht erwähnt? Viele Gelehrte sind der Ansicht, dass sie zum Zeitpunkt, als das Neue Testament entstanden ist, einfach noch nicht verstorben waren.
Die meisten Forscher heutzutage sind sich einig, dass die Paulus-Briefe Anfang der fünfziger Jahre begonnen wurden und die synoptischen Evangelien (Matthäus, Markus und Lukas) Anfang bis Mitte der sechziger Jahre des ersten Jahrhunderts entstanden.[26] Schätzungen über die anderen Bücher rangieren von 40-95 A.D.; doch besteht klare Übereinstimmung, dass alle Bücher des Neuen Testaments aus dem ersten Jahrhundert stammen.
Diese Schlussfolgerungen bedeuten, dass die Berichte des Neuen Testaments über Jesus zwischen sieben und 30 Jahre nach seinem Tod geschrieben wurden, als noch Tausende von Augenzeugen lebten, die die Berichte hätten berichtigen können, wären sie falsch gewesen. Es ist uns jedoch nichts überliefert, was diese Augenzeugenberichte in Frage stellen würde.
Die Nachweise für die Echtheit des Neuen Testaments übertreffen alle anderen Funde aus der Antike. So schreibt John A. T. Robinson:
„Der Reichtum an Handschriften, und vor allem der enge zeitliche Rahmen zwischen den Urschriften und den frühesten existierenden Kopien machen das Neue Testament zum bei weitem am besten nachgewiesenen Text von allen Schriftstücken aus der Antike in der Welt.“[27]
Die folgende Tabelle illustriert, das das Neue Testament weitaus mehr Handschriften mit weitaus früheren Entstehungszeiten aufweist, als das Barnabasevangelium.
Ein Vergleich des Neuen Testaments mit dem Barnabasevangelium zeigt:
Tests bezüglich der Zuverläβlichkeit | Neues Testament |
Barnabasevangelium Datum des Originals | 40-95 A.D. 400-1500 A.D. |
Früheste nachweisbare Kopien | 117-138 A.D. 400-1500 A.D. |
Zeitlicher Abstand von der Urschrift | 22-98 |
Jahre unbestimmt Jahre nach Christus | 30-Jul 370-1,470 |
Anzahl der Handschriften in der Originalsprache | 5.600+ |
Keine Anzahl der Handschriften in allen Sprachen | 24.000+ 3 |
Erwähnungen in anderen historischen Dokumenten | 36.000+ 2 |
Schlussfolgerung
Im Gegensatz zu der als Barnabasevangelium bezeichneten „geheimen Bibel“, die erst 400 bis 1500 Jahre nach Christus geschrieben wurde, entstanden die Evangelien des Matthäus, Markus, Lukas und Johannes bereits im ersten Jahrhundert, d.h. innerhalb einer Generation nach seiner Lebenszeit. Darüber sind sich die meisten Wissenschaftler einig.
Eine Lektüre des Neuen Testaments macht klar, dass die Verfasser außerordentlich darum bemüht waren, das Leben, die Worte und die Ereignisse im Zusammenhang mit Jesus wahrheitsgemäβ darzustellen. Lukas, der Verfasser nicht nur des Lukasevangeliums sonder auch der Apostelgeschichte, drückt es wie folgt aus:
„Viele haben sich daran gemacht, über die Ereignisse, die sich bei uns abgespielt haben, zu berichten. Sie stützen sich dabei auf die Augenzeugenberichte, die uns seit den ersten Jüngern überliefert sind. Nachdem ich nun alles von Anfang an sorgfältig nachgeforscht habe, habe auch ich beschlossen, dir, ehrenwerter Theophilus, Bericht zu erstatten, damit du dir der Wahrheit all dessen, was man dir berichtet hat, sicher sein kannst.“[28]
Aus dem Umstand, dass das Neue Testament bereits so früh entstanden ist, läβt sich mit ziemlicher Sicherheit schlieβen, dass uns aus den Worten derjenigen, die ihn noch als Zeitgenossen kannten, überliefert wurde, was Jesus predigte und wer er wirklich wahr. Einer dieser Augenzeugen, der Apostel Petrus, schrieb:
„Wir haben uns keineswegs auf geschickt erfundene Märchen gestützt, als wir euch ankündigten, dass Jesus Christus, unser Herr, wiederkommen wird, ausgestattet mit Macht. Vielmehr haben wir ihn mit eigenen Augen in der hohen Würde gesehen.“[29]
Petrus und die anderen Augenzeugen erklärten unerschrocken „Jesus als den Herrn“, trotz der Gefahr um ihr eigenes Lebens. In diesem Vermächtnis ihrer unerschütterlichen Hingabe liegt vielleicht der überzeugendste Beweis, dass das Neue Testament, nicht das Barnabasevangelium, den wahren Jesus darstellen.
Erlaubnis zur Wiedergabe dieses Artikels: Der Herausgeber gibt seine Einwilligung zur Wiedergabe dieses Materials ohne Genehmigung, doch nur vollständig und für gemeinnützige Zwecke. Kein Teil dieses Textes kann geändert oder aus dem Zusammenhang heraus verwendet werden, ohne die schriftliche Einwilligung des Herausgebers.
Endnoten-Gospel of Barnabas
- Acts 13:1-3, 33.
- Gospel of Barnabas, 94:1.
- John 1:1-3, 14. NIV [See http://www.biblegateway.com/passage/?search=John%201:1-14&version=NIV].
- 1 John 5:11-13. 1 John 5:11-13.
- Norman Geisler & Abdul Saleeb, Answering _____ (Grand Rapids, MI: Baker, 2002), 303-307.
- Geisler & Saleeb, Ibid.
- John Gilchrist, “Origins and Sources of the Gospel of Barnabas,”
- Geisler & Saleeb, Ibid.
- J. Slomp, “The Gospel Dispute,” ____ochristiana, 68.
- Norman L. Geisler and Paul K. Hoffman, eds., Why I Am a Christian (Grand Rapids, MI: Baker, 2001), 150.
- Bruce M. Metzger, The Text Of The New Testament (New York: Oxford University Press, 1992), 86.
- This early reference might have been to one of the other books named after the apostle Barnabas: the Epistle of Barnabas or the Acts of Barnabas. Scholars question that it refers to the Gospel of Barnabas because there is no other historical document supporting it.
- Josh McDowell, The New Evidence That Demands a Verdict (Nashville: Thomas Nelson, 1999), 33–68.
- Metzger, 39.
- Ibid.
- Cited in Christian Post, Stoyan Zaimov, “Gospel of Mark Fragments Reportedly Found; Possibly Oldest NT Artifacts” February 17, 2012, http://www.christianpost.com/news/gospel-of-mark-fragments-reportedly-found-possibly-oldest-nt-artifacts-69778/.
- Paul Johnson, “A Historian Looks At Jesus,” Speech to Dallas Theological Seminary, 1986.
- William F. Albright, “Toward A More Conservative View,” Christianity Today, January 18, 1993.
- John A. T. Robinson, quoted in Norman L. Geisler & Frank Turek, I Don’t Have enough Faith To Be An Atheist (Wheaton, IL: Crossway, 2004), 243.
- For a detailed analysis see http://www.errantskeptics.org/DatingNT.htm.
- John A. T. Robinson, Can We Trust The New Testament? (Grand Rapids: Eerdmans, 1977), 36.
- Luke 1:1-4, NLT.
- 2 Peter 1:16, NLT.
© 2012 JesusOnline Ministries. Dieser Artikel ist ein Zusatz zur Zeitschrift Y-Jesus, herausgegeben von Bright Media Foundation & B&L Publications: Larry Chapman, Chefredakteur.